Freitag, 10. Oktober 2008

Konkurrenz am rechten Rand

Der Union droht Gefahr von Rechts: Nach dem Wahlerfolg in Bayern könnten die Freien Wähler auch bei Bundestagswahl 2009 antreten. CDU und CSU stehen der konservativen Konkurrenz ratlos gegenüber.

Der Mann, der Angela Merkel gefährlich werden kann, heißt Armin Grein, ist pensionierter Landrat, 69 Jahre alt und wohnhaft im fränkischen Marktheidenfeld. Bisher ist Grein als Bundesvorsitzender der Freien Wähler (FW) kaum in Erscheinung getreten. Die 1946 gegründeten Wählergruppen waren nach Kriegsende fast ausschließlich auf kommunaler Ebene aktiv - nach eigenem Bekunden "frei von parteilichen Interessen". Obwohl sich die Freien Wähler großen Zulaufs erfreuen, sind sie beim Einzug in die Länderparlamente meist gescheitert. Der Triumph von Bayern, wo die Freien aus dem Stand mehr als zehn Prozent der Stimmen holten, könnte die Trendwende markieren.

Beflügelt vom Erfolg im Süden, wollen die Wählergruppen nun auch bei den Landtagswahlen im Saarland, in Sachsen, Thüringen und Schleswig-Holstein antreten. Selbst eine Kandidatur bei der Bundestagswahl 2009 ist im Gespräch. "Um das Ganze aufzubauen, braucht es Zeit und Geld", sagt Bundeschef Grein. Um die Fünf-Prozent-Hürde überwinden zu können, müssten die Freien Wähler flächendeckend antreten. Die Gruppierung bringt es zwar in ganz Deutschland auf rund 260000 Mitglieder - fast halb so viele wie die CDU - ist jedoch bisher nur in jedem zweiten Bundesland etabliert. Besonders in Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen haben die Freien ihre Bastionen. Bundeschef Grein räumt ein, dass eine bundesweite Ausdehnung intern höchst umstritten ist. Es gebe in den Gemeinde- und Stadträten viele Mitglieder, die schon der Landespolitik kritisch gegenüber stehen - ganz zu schweigen von einer Bundestagskandidatur. Auch Grein zeigt sich skeptisch: "Ich gehe kein Abenteuer ein, wo ich von vornherein weiß, dass es nicht gelingt."

Auch wenn die Freien Wähler noch zögern - in den Parteizentralen von CDU und CSU schrillen die Alarmglocken. Nachdem die CSU in Bayern um mehr als 17 Prozent abstürzte, kommt die Union bundesweit in Umfragen nur noch auf 33 Prozent. Gleichzeitig ermittelten Wahlforscher, dass sich fast jeder zweite Deutsche vorstellen kann, seine Stimme den Freien zu geben.

Weil die Union die Gründung einer zweiten bürgerlichen Partei fürchtet, wird der Ruf nach einer Kurskorrektur immer lauter: Statt Stammwähler mit Themen wie Klimaschutz und Krippenausbau zu verscheuchen, müssten endlich mehr Akzente in der Steuer- und Sicherheitspolitik gesetzt werden, heißt es in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Gerade die bürgerlichen Wähler fühlten sich vom Staat ungerecht behandelt, warnt der Präsident des CDU-Wirtschaftsrates, Karl Lauk. "Die Union muss die verbleibende Zeit in der Großen Koalition dafür nutzen, Profil zu gewinnen. Wenn sie das versäumt, droht ihr im Bund ein ähnliches Schicksal wie der CSU in Bayern."

Der neue CSU-Vorsitzende Horst Seehofer kündigte in seiner Antrittsrede an, er werde neben Wirtschafts- und Sozialpolitik "auch das Kernwähler-Potenzial der Nationalkonservativen pflegen". Seehofers Sorge: Die Freien Wähler könnten mit populistischen und radikalen Tönen das Vakuum am rechten Rand füllen. Zum bundesweiten Durchbruch fehle der Rechtspartei dann nur noch ein prominenter Kopf, meint ein weiterer Unionsmann: "Wenn Friedrich Merz oder Wolfgang Clement in den Ring steigen, dann kriegen wir dasselbe Problem wie die SPD mit Lafontaine und der Linken." Eine Gefahr, die auch der konservative Vordenker Wolfgang Schäuble beschreibt: "Natürlich muss die Union in Deutschland immer darauf achten, sich nicht von der Entwicklung der Sozialdemokraten anstecken zu lassen", mahnt der Innenminister. Bisher aber sei es CDU und CSU in ihrem Spektrum gelungen, "eine Zerfaserung zu verhindern und ihre Integrationskraft zur Mitte hin zu bewahren", so Schäuble.

Kanzlerin und CDU-Chefin Merkel hält die Warnungen für überzogen. Sie will die Union weiter als "Partei der Mitte" behaupten. Hauptgegner sei die SPD, der eingeschlagene Modernisierungskurs deshalb "alternativlos", meint Merkel. Das Dilemma der CDU: Trotz moderner Themen wird sie in der Bevölkerung immer mehr als Rentnerpartei wahrgenommen. In einer Allensbach-Umfrage schrieben Bürger der Union ein "gefühltes Alter" von 60 Jahren zu. Die SPD kam immerhin auf 55, die Grünen auf 40 Jahre.

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